Inhaltsbeschreibung
Die einen erwarten von der Demokratie alles, die anderen nichts mehr: Die zwei Seiten derselben Medaille zeigen sich in unterschiedlichen Phänomenen. Es gibt - nicht nur hierzulande - den bequemen Rückzug auf die Position von Kunden: Solche Menschen verlangen eine passgenaue Umsetzung des Bestellten, also die exakte Berücksichtigung ihrer Wünsche und Interessen und wenden sich widrigenfalls entweder indigniert ab oder leben ihre Frustration in Aggressionen gegen Amts- oder Funktionsträger aus. Auch sinkende Wahlbeteiligung, die Schwierigkeit, Mandate zu besetzen, die Häme gegenüber dem politischen Betrieb, zumal in Krisenzeiten, können als Indizien für eine gestörte Beziehung von Bürgerinnen und Bürgern zur Demokratie gelesen werden.
Der Philosoph und Politikwissenschaftler Felix Heidenreich sieht die Ursachen unter anderem in der unreflektierten Ökonomisierung von Demokratie, die „liefern“ müsse oder abgelehnt werde. Im Wettbewerb um Aufmerksamkeit in der pluralen Mediengesellschaft würden zudem Anforderungen, welche die Demokratie legitimerweise an Bürgerinnen und Bürger richten könne, ja müsse, nurmehr werbend, infantil, pädagogisierend oder verschämt vorgebracht und kaum je konkret adressiert. Heidenreich wirbt für eine im Wortsinn anspruchsvolle Demokratie, die selbstbewusst und plausibel zur Beteiligung auffordert und damit nicht nur Teilhabe, Bindungs- und Identifikationskräfte, sondern zugleich ihr Fundament stärke.